4,4 Millionen für eine Prise weniger Barriere im Zug
Meinungsbeitrag – KM
S-H und Hamburg nehmen so richtig Geld in die Hand. Nicht etwa, um im Nachhinein Barrierefreiheit zu schaffen auf der Schiene wegen des vermaledeiten Kaufs von 18 Verrampten Zügen von Stadler, sondern für ein paar Grad weniger steile Rampen. Und das an einem Ort, an dem in Wirklichkeit überhaupt keine Rampen hingehören – sondern ein niveaugleicher Zugang!
Jetzt ist es amtlich. In dem Schreiben des Wirtschaftsministers Bernd Buchholz (Link zum Schreiben) heißt es: Wir bauen die Rampen weniger steil! Fast wäre mensch geneigt ein Glückwunsch hinterherzurufen.
Blöd nur, dass DB Regio, Nah.SH und das Land Schleswig-Holstein immer noch weit über dem liegen, was das BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) festschreibt. Nämlich Produkte zu bauen, die ohne fremde Hilfe für alle nutzbar sind. Und wenn schon Rampen gebaut werden müssen, dann mit einer maximalen Steigung von 6%, um gefahrlos genutzt zu werden.
Immerhin können Schleswig-Holstein und Hamburg jetzt sagen: Seht her! Wir haben nun mit Menschen mit Behinderung gesprochen. Das hätten wir zwar vorher machen sollen. Aber schaut: wir sind großzügig, denken an die Reisenden mit Rollstuhl, Rollator und Kinderwagen und legen jetzt mehrere Millionen auf den Tisch. Hamburg steuert knapp 800.000 Euro dazu. Das Land Schleswig-Holstein blätter über 3,6 Millionen Euro hin.
ÖPNV Betreibende und Politik, begreift es endlich! Wir wollen mobil sein und selbstbestimmt reisen können. Wir wollen in Züge hineingehen und nicht in sie hineinklettern, als wären wir auf Bergwanderung. Wenn ihr Qualität wollt und den Nahverkehr zu den Menschen bringen wollt, dann macht das Reisen einfach und komfortabel. Dies ist im Falle von Menschen mit Behinderung keine Bitte, sondern schlicht verbrieftes Recht.
P.S. Wieso Verschlimmbesserung?
Es geht darum ohne Rampe, also niveaugleich in den Zug zu kommen. So wie im modernen U-Bahn und S-Bahn Verkehr üblich. Das Feilen an hier ein paar weniger Grad Steigung hier und da, löst das eigentliche Problem nicht. Sehr wohl lässt es die beteiligten Akteure in einem viel besseren Licht dastehen… Doch gewonnen ist in Wirklichkeit nichts! Was eine Lösung wäre: Ein zusätzlicher (einstöckiger) Wagen wie beim RRX von Siemens.
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Hi,
„Und wenn schon Rampen gebaut werden müssen, dann mit einer maximalen Steigung von 6%, um gefahrlos genutzt zu werden.“
das gilt für Hochbau (öffentliche Gebäude innen, Wohnungsbau). Schon außen (außerhalb der Gebäude) gilt das nicht mehr zwingend. Leider haben wir zu viele Normen, die genau hier das Problem begründen. Danach ist nämlich der Stadler-Zug normgerecht barrierefrei!
Rampen im öffentlichen Raum (innen wie außen) dürfen einen maximalen Neigungsgrad von 6% haben. Mehr Infos dazu: https://din18040.de/rampen.htm
Die entsprechende EU Verordnung für die Schiene (TSI-PRM) sieht in der Tat eine anderen Neigungsgrad vor. Das ist ein Manko und ein Fehler und gehört somit korrigiert! Siehe: https://barrierefreiebahn.de/supersteile-rampe-bei-bahn/
Die europäische Norm TS-PRM ist eine Mindestvoraussetzung. Fahrzeuge im Schienenpersonenverkehr unterliegen ebenso den Grundrechten des Benachteiligungsverbots.
ich ergänze, weil es hier ja nicht geglaubt oder verstanden wird:
DIN 18040-3 Anmerkung
„Soweit bei sehr kurzen Neigungsstrecken von bis zu 1 m Länge auf Grund der örtlichen Rahmenbedingungen (z. B. aus topographischen Gründen) größere Neigungen notwendig sind, um im Übrigen normgemäße Neigungsverhältnisse zu erreichen, sollte für diese kurzen Strecken eine Neigung von 12 % nicht überschritten werden.“
siehe https://nullbarriere.de/din18040-3-rampe-aufzug-treppe.htm
DIN 18040-3 Anmerkung:
„Soweit bei sehr kurzen Neigungsstrecken von bis zu 1 m Länge auf Grund der örtlichen Rahmenbedingungen (z. B. aus topographischen Gründen) größere Neigungen notwendig sind, um im Übrigen normgemäße Neigungsverhältnisse zu erreichen, sollte für diese kurzen Strecken eine Neigung von 12 % nicht überschritten werden.“
siehe: https://nullbarriere.de/din18040-3-rampe-aufzug-treppe.htm
Da verbessert sich mal was bei der Bahn für Rollstuhlfahrer und dann wird nur gemosert. Ich bin selbst seit über dreißig Jahren Rollstuhlfahrer und kann bestätigen: Einen Meter kurze Rampen mit 12% sind leicht zu bewältigen, Schrittgeschwindigkeit reicht, um die Zielhöhe von 12 cm mehr zu erreichen (Energieerhaltungssatz: 0,5*v² = g*h). Hier auf 6% zu bestehen, ist nicht nur überflüssig, sondern sogar kontraproduktiv: Im Ergebnis verzögert sich die Einführung der neuen Züge, und die alten bleiben länger dabei – deren Rampe, die der Zugbegleiter erst elektrisch rausfahren muss, hat eine Steigung von schätzungsweise 30%!!
Ach ja, und ein einstöckiger Steuerwagen löst das Problem auch nicht, weil der weniger Kapazität hat und viel schneller voll ist. Bleibt nur noch zu hoffen, dass das Mehrzweckabteil nicht ständig mit Fahrrädern vollgestellt ist, sonst kommt man noch nicht mal mehr während der Fahrt zum Klo.
Danke für den Beitrag, lieber Gerrit. Schön, dass Rampen für dich keine Hürde darstellen. Für viele Menschen, die mit Rollstuhl oder Gehwagen oder unsicher (ältere Menschen) unterwegs sind, sind Rampen und insbesondere solche, die auch noch einen Spalt aufweisen wie beim Zugang in einen Zug, ein echtes Problem. Einfach und ungefährlich in Züge hinein- und herauskommen ist unser Ziel. Deswegen fordern wir einen ebenen Einstieg ohne Rampe und ohne Spalte. Das ist komfortabel für alle und technisch möglich, z.B. durch einen einstöckigen Triebwagen (bei dem übrigens kaum Sitzplätze wegfallen würden, s. RRX). Deswegen fordern wir politisch ein: Baut Züge mit ebenerdigem Zugang.