Ich komme mit!

– Oder die Verkettungen unglücklicher Umstände, die beim Bahnfahren fast schon normal geworden sind

Ein Bericht

Es ist Mittwoch Abend. Es geht von Bonn nach Köln. Mit Rollstuhl.

Die Fahrt habe ich bei der Mobilitätszentrale der Deutschen Bahn angemeldet, natürlich über HASE. Für Rollinutzende ist eine 24 stündige Voranmeldung Pflicht bei einer Bahnreise im Fernverkehr. Doof, aber Realität.

Doch selbst bei dieser rechtzeitigen Anmeldung und sehr kurzen Reise kassiere ich eine Absage. Die Begründung: Alle Rollstuhlstellplätze sind belegt. Die Bahn schreibt, dass die Verbindung nicht machbar ist und schlägt eine Alternativverbindung vor.

Info: Es gibt nur 1 bis maximal 4 Plätze in Fernverkehrszügen der Deutschen Bahn. Das ist oft zu wenig und schafft Abhängigkeiten. In vergleichbaren Zügen in der Schweiz können bis zu 10 Personen in einem Wagen reisen. Die Sitze sind hier klappbar, sodass entsprechend viel Platz bei Bedarf geschaffen werden kann.

Spontan auftauchen

Dennoch gehts zum Bahnhof. Ich probiere es einfach. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Aussage „Alle Plätze belegt“ vor Ort nicht zutrifft. Und selbst wenn es hart auf hart kommt, besteht meist die Möglichkeit sich im Bistrobereich aufzuhalten, ohne mit dem Rolli zu sehr „im Weg herumzustehen“.

40 Minuten vor Abfahrt bin ich am Bahnhof. Spreche mit einem Bahnmitarbeiter. Erzähle, dass ich gerne mit dem ICE nach Köln reisen würde und sage ihm, dass ich bereits eine Absage erhalten hätte, weil kein Rollstuhllstellplatz mehr vorhanden sei. Dann frage ich, ob eine spontane Fahrt machbar sei. Die Antwort lautet: Das würde bestimmt gehen. Ich möge zum Infopoint gehen und fragen, ob man mir helfen könne. Dann frage ich noch, ob der Weg zum Gleis barrierefrei ist und der Aufzug (dieser hat eine Historie und ist in den letzten Jahren schon oft ausgefallen) funktioniert. Er geht los, schaut nach und kommt zurück: Aufzug ist leider defekt, sagt er. Ich bedanke mich und erwidere, dass ich dann im Ausnahmefall die Rollstreppe nutze.

Es scheint zu funktionieren

Beim Infopoint angelangt frage ich nach. Der Beamte sieht im System, dass der Platz verfügbar ist. Dann guckt er, ob es Personal gibt, um mir in den Zug zu helfen. Und gibt schließlich grünes Licht! Wir vereinbaren den Treffpunkt am Gleis.

Am Aufzug öffnet sich dieser plötzlich und eine Person steig aus. Trotz aufgeklebtem Schildes scheint er intakt zu sein. Ich bin dankbar und fahre hoch zum Bahnsteig.

Aufkleber auf Aufzug: Außer Betrieb
Aufzug war trotz „Außer Betrieb“ Stickers zum Glück einsatzbereit

Oben angelangt, sehe ich schon zwei Bahnbeamte. Sie  kommen schließlich zu mir und wir gehen zusammen zum geplanten Abschnitt.

Der Zug fährt ein. Allerdings hält der barrierefreie Wagen an einer ganz anderen Stelle als planmäßig vorgesehen. Scheinbar ist die Wagenreihung verkehrt und die Bahnmitarbeitenden wurden nicht informiert. Unruhe breitet sich aus. Wir bewegen uns zügig Richtung Baustelle – dort wo der barrierefreie Wagen vermutet wird.

Es wird hektisch

Doch am Anfang der Baustelle ist hier Endstation für den Hebelift. Die Stützen auf dem Bahnsteig macht ein Fortkommen nicht möglich. Sie stehen mitten im Weg. Der Pfiff zur Abfahrt ertönt. Ich rufe: „Ich fahre mit!“ und mache mich eigenständig auf den Weg um die Treppe herum, um zum Einstieg zu gelangen. Dort angekommen stelle ich mich in die Tür, und halte damit den Zug vor der Abfahrt ab.

Baustelle, eine Art Gerüst versperrt den Weg für den Hebelift
Baustelle auf Bahnsteig macht Nutzung des Hebelifts unmöglich

Ich weiß: Jetzt bin ich auf mich alleine gestellt. In einer solchen Situation dürfen Bahnmitarbeitende einem Rollinutzenden wie mir nicht beim Einstieg helfen. Die Versicherung würde nicht aufkommen. Helfen dürften sie mit Hebelift, aber der passt nun mal nicht durch die Baustellengestänge. Ich spreche einen Mitreisenden an und instruiere ihn kurz. Er geht auf die erste Stufe und zieht mich an den Haltegriffen hoch. Er macht es gut. Ich bin im Zug und kann meine Reise nach Köln antreten.

Bahn ohne Masterplan

Raus komme ich in Köln mit Personal und Hebebühne. Auch im zentralen Bahnhof der Millionenstadt gibt es Stufen. So wie überall in Deutschland. Kein Scherz – in der ganzen Republik klettern Menschen in Züge hinein und wieder heraus. Nur Rolllinutzende und – dank Ströbele – auch Reisende mit Rollatoren nicht. Diese beiden Gruppen werden von der Bahn aus Mangel an zeitgemäßem, niveaugleichen Zugang per Hebebühne „geliftet“.

Und das Bemerkenswerte: Die Bahn verfolgt keinen Masterplan, die Stufen in Zukunft aufzulösen.

Empfohlener Artikel: Der Bahn Beine Machen.

Bahn-Admin

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