Aufzug defekt – Nein, Doch, Ohhh!

Einmal Berlin-Sylt bitte – Ein Reisebericht mit Bildern samt Mängel- und Forderungsliste

Start der Reise in Berlin (EC378) am 1.4.2022 um 17:06 Uhr
Zielbahnhof: Westerland auf Sylt, Ankunft am 2.4.2022 gegen 1 Uhr morgens

Ursprünglicher Plan: Von Berlin über Hamburg nach Sylt. Plan verworfen wegen defektem Aufzug in Hamburg. Stattdessen über Kiel nach Sylt gefahren. 

Screenshot der Bahnverbindung aus dem DB Navigator
Ursprünglicher Reiseplan via Hauptbahnhof in Hamburg verworfen

Ich war beruflich in Berlin. Mit der Bahn. Für die Reise hatte ich mich im Voraus bei der MSZ angemeldet. So wie es die Bahn von Menschen mit Behinderung verlangt. Eine Anmeldung von mindestens einen Tag im Voraus. Spontane Reisewünsche sind im Fernverkehr für Rollinutzende nicht vorgesehen. Aus Gründen: Stufen werden sie genannt. Um diese zu überbrücken benötigt es Hebebühnen, die wiederum von Personal bedient werden müssen. Das Personal ist wiederum nur begrenzt verfügbar und an Öffnungszeiten gebunden. Recht tricky sind die Planungen einer Bahnreise mit Rollstuhl… 

Nun, hatte ich mich angemeldet für eine Verbindung (s. oben “Ursprünglicher Plan”) am 31.3. Ich schrieb via Hase.app an die Bahn. Doch diese antwortete im lakonischen Stil: Geht nicht, weil in Hamburg ist der Aufzug defekt. Eine alternative Route wurde seitens der MSZ nicht vorgeschlagen:

Screenshot E-Mail der MSZ
Reise bei MSZ angemeldet, doch die Antwort lautet: “Wir bedauern, dass wir Ihre Anmeldung für den 31. März 2022 nicht vornehmen können. Auf dem Bahnhof Hamburg Hbf ist zurzeit der Aufzug an Gleis 5/6 außer Betrieb.”

Daraufhin bat ich um die Bestätigung der Reise mit einer anderen Verbindung. Als Kunde ist es mir recht egal, ob ich Hamburg Hbf oder Dammtor umsteige, wenn ich mein Ziel erreichen könnte. Fragt sich, warum die MSZ nicht gleich einen Vorschlag mit einer für die MSZ funktionierenden Reiseroute macht. Ich schrieb zurück:

Screenshot E-Mail an MSZ
Meine Antwort an die MSZ mit Bitte um alternative Route

Dann die Antwort der MSZ:

Screenshot E-Mail der MSZ, andere Verbindung etwa eine halbe Stunde früher mit ICE
Antwort der MSZ, diesmal mit alternativer Route

So, die MSZ hatte mir schließlich auf Nachfrage eine Verbindung genannt. Doch ich übersah, dass ich erneut hätte bestätigen müssen. Die oberste Zeile machte Werbung für eine Kundenumfrage, sodass ich den Rest nur noch mit halber Aufmerksamkeit las. Stimmt schon, dachte ich mir. Außerdem übersah ich, dass ich für den falschen Tag gebucht hatte. Ich wollte am 1.4. fahren, nicht schon am 31.3. Doch in der Aufregung, ob nun eine passende Verbindung zustande kommen würde oder nicht, übersah ich, dass die Anmeldung noch nicht bestätigt war. 

Infolgedessen bekam ich nicht am Vorabend eine Erinnerungsmail an die Fahrt und als ich etwa 25 Minuten vorher am DB Infostand in Berlin ankam, war ich konsequenterweise nicht im System. Durch ein robustes Auftreten und ein Zücken einer vermeintlichen Reservierungsmails (wenn auch für den falschen Tag) konnte ich den Infostand Mitarbeitenden überzeugen, mich spontan in den Zug zu lassen.

Ich bin schließlich mit dem EC378 direkt nach Kiel gefahren. Von dort bin ich ohne Voranmeldung in die Regionalbahn, um über Husum nach Westerland zu fahren. 

Screenshot der Verbindung aus der Bahn App
Reiseplan von Kiel nach Sylt über Husum mit sportlicher Umstiegszeit; Bemerkenswert: keine Anzeige über defekte Aufzüge in Husum (die – wie sich herausstellen sollte – bereits seit Monaten außer Betrieb sind)

Soweit so gut.

In Kiel hat man mich per MSZ aus dem EC 378 herausgeholt, der mit 30-minütiger Verspätung gegen 20:45 Uhr ankam. Von dort bin ich direkt rüber in die Regionalbahn, die auf Gleis 6 wartete.

Zum Glück muss ich – im Gegensatz zum Fernverkehr – meine Reise im Nahverkehr vorher nicht anmelden und kann dort spontan reisen. Also so, wie alle anderen auch: Hinkommen und losfahren!

Also, Ich bin bereits vor, die Dame von der MSZ kam später hinterher, nachdem ich die Regionalbahn bereits betreten hatte und stellte sicher, dass alles klappt. 

In der Bahn sprach ich die Zugbegleiterin an und erzählte ihr, wohin ich fahren würde. Ich bat sie dem Anschlusszug in Husum Bescheid zu geben, da es nur regulär 5 Minuten gibt, die ich für den Umstieg hatte. Dafür musste eine Plattform gewechselt werden und zwei Aufzüge genutzt werden. Die Verbindung ist knapp, aber ich hatte sie bereits vorher mehrfach erfolgreich bekommen. Kurzer Zeit später sagte sie mir, dass der RE6 in Husum Bescheid wüsste und auf mich warten würde. 

Doch dann erschien die Zugbegleiterin erneut. Dieses Mal mit der schlechten Nachricht, dass beide (!) Aufzüge in Husum ausgefallen wären.

Bild zeigt Handy und Hand, die das Telefon hält. Auf dem Display ein Aufzug mit rotem Kreuz
Zugbegleiterin zeigt Anzeige auf Bahnapp: beide Aufzüge defekt (aber keine Begründung warum; vielleicht ein Fehler im System?)

Sogleich stellte sie telefonisch Erkundungen ein und konnte mir sagen, dass die Anzeige in ihrem Display nicht korrekt sei und die Aufzüge in Husum soweit in Ordnung seien. Ich konnte meine Zugfahrt beruhigt fortsetzen. 

Wir kamen überpünktlich in Husum an gegen 22:24 Uhr. Noch beim Herausgehen verabschiedeten wir uns in freundlicher Atmosphäre, ein bisschen feixend, dass jetzt nichts mehr schieflaufen könne. 

Als ich auf dem Gleis rollende zum Aufzug kam, verschlug es mir die Sprache. Ich sah ein Schild mit einem Durchgang – Verboten Zeichen. Der Aufzug war tatsächlich nicht erreichbar. Ein Blick auf den Aufzug auf dem Gleis, auf dem der RE 6 auf mich warten sollte, war überhaupt nicht zu erkennen. Offensichtlich war der gesamte Aufzug demontiert worden. Nur noch ein Gerippe von 4 Pfosten war zu erkennen. Das war ein Schock. 

Bild zeigt ein “Durchgang Verboten” Schild, dann Absperrgitter und im Hintergrund einen verbarrikadierten Aufzug
Aufzug auf Gleis 1 hinter Absperrgitter mit einem “Durchgang-Verboten” Schild
Bild zeigt zwei Bahnsteige, die einander gegenüberliegen
Aufzug auf Gleis 4 abmontiert, nur noch das Gerippe steht (4 Pfosten sind auf dem Bild zu erkennen)

Ich bin entgeistert, ermüdet und entkräftet und irgendwie auch unter Schock stehend zurück zur freundlichen und hilfsbereiten Zugbegleiterin. Wir überlegten, was wir jetzt tun könnten. Ich war quasi auf dem Gleis gestrandet. Der Aufzug nach unten, um aus dem Bahnhof herauszukommen, war nicht vorhanden. Ich kam nicht raus. Gleichzeitig kam ich nicht rüber aufs Gleis mit dem RE6. Auf dem gegenüberliegenden Gleis für eine Bahn nach St. Peter-Ording ein. Wir überlegten kurz, ob wir diesen nehmen könnten, doch es lang nicht in meiner Zielrichtung. Dann überlegten wir, ob ich mit dem RE 74 eine Station mit zurückfahren sollte. Falls wollte ich das tun, als der Zugführer, an dessen Kabine wir mittlerweile standen, sagte. Nein, das geht nicht, weil der Bahnsteig in Jübeck auf “-1” läge (oder so). Ich interpretierte, dass es wohl für mich schwierig sei, dort mal ebenso barrierefrei auszusteigen. Also auch keine Option. 

Dann kam ein Bahnmensch, der zum Husumer Bahnhof gehörte. Er war um die 50, vielleicht Anfang 60. Wir erklärten die Lage. Er erzählte mir, dass es genau aus diesem Grund wichtig sei, sich vorher über den Mobilitätsservice anzumelden. Ich bedankte mich für diese Information, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht so recht zielführend war und mich innerlich aufrieb. Ich blieb dennoch zunächst ruhig. Dann wurde die Situation stressiger. Es gab keine wirkliche Lösung: Zurück konnte und wollte ich nicht. Ich entschloss mich, die Stufen (3 Ebenen a 10 Stufen schätze ich) selbständig in meinem Rollstuhl sitzend rückwärts runterzuhangeln. Zuvor bat ich die Zugbegleitung um die Ausstellung eines Taxischeins.

Foto vom Taxigutschein/Hotelgutschein
Taxigutschein von “Husum nach Sylt”

Wissend, dass bald meine letzte Verbindung fahren würde (es war bereits spät), machte ich mich an den Abstieg. Dem Husumer Bahnmenschen bat ich, meinen Koffer und das FreeWheel (eine Art Extrarad zum verbesserten Vorankommen) zu nehmen, dass ich als Gepäck dabei hatte. Ich wollte ihn nicht fragen, ob er mir helfen könne, um ihn nicht in versicherungstechnische Erklärungsnöte zu bringen. Ich stieg alleine die Stufen runter.

Es war ein riskantes Manöver und meine Bremsen war zu fest angezogen, sodass ich recht holpernd und unsicher die erste Ebene erreichte. Daraufhin bat der Bahnmensch erneut seine Hilfe an, indem er sich hinter mich stellte, quasi als Bremse. Gemeinsam erreichten wir den Tunnel, aus dem ich über eine Rampe dann hinaus in den Bahnhof gelangte und mich gegen 22:40 Uhr in das Taxi setzen konnte. 

Wir erreichten gegen 23:25 Uhr den Niebüller Bahnhof. Den eigentlichen Zug hatte ich verpasst. So konnte ich nur noch den allerletzten Zug um 0:10 Uhr nehmen.

Bild zeigt Person mit Maske und Mantel, der in die Kamera blickt
Zwischenetappe: Bahnhof Niebüll, immerhin mit überdachtem Warteraum für den knapp einstündigen Aufenthalt; aber um Mitternacht alleine am Bahnhof, nicht ungefährlich

Gegen 0:50 Uhr erreiche ich den Bahnhof in Westerland, also etwa 75 Minuten später als in der planmäßigen Verbindung.

Für meine letzte Verbindung musste ich aufgrund der späten Uhrzeit ein Taxi nehmen, da es um die Uhrzeit keinen Busverkehr mehr gab.

Taxiquittung für die letzte Meile

Forderungen an die Bahn

  • Schmerzensgeld fürs Stranden lassen am Husumer Bahnhof inklusivem riskanten Abstieg über Treppen: 1500 Euro
    (Erklärung: Aufzüge können außer Betrieb sein wegen Wartung und Vandalismus; allerdings sollte eine Info über den Aufzugszustand in allgemein zugänglicher Form hinterlegt werden, insbesondere bei geplanten Ausfällen; das ist nicht geschehen und auch die Information, auf die sich Bahnleute beziehen (s. Bild interne Bahnapp) scheinen nicht synchron zu sein.)
  • Schmerzensgeld wegen erhöhter Sicherheitsgefahr um Mitternacht am unbewachten Bahnsteig in Niebüll für eine Stunde: 300 Euro
  • Übernahme der Taxikosten auf Sylt: 34,50 Euro
  • Schadensersatz wegen Verspätung von über 90 Minuten (Wertmarke als Fahrkarte): 150 Euro
  • Generelle Forderung: Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um Reisende selbstbestimmt und verlässlich Auskunft zu geben über (barrierefreie) Reiseverbindungen. Wenn Wege nicht barrierefrei sind (wie in diesem Fall durch einen geplanten und offensichtlich mehrmonatigen Ausfall der Aufzüge) muss diese Information für Reisende verfügbar sein. Schmerzensgeld: 50 Euro

Bahn-Admin

1 Reply to “Aufzug defekt – Nein, Doch, Ohhh!”

  1. Ein solches Schockerlebnis hatte ich kürzlich auch, als ich den Zug zum Flughafen erwischen musste, der in wenigen Sekunden abfuhr. Der Aufzug war kaputt, sodass ich zwei schwere Koffer mehrere Treppen hinauftragen musste. Glücklicherweise kam ich gerade noch rechtzeitig. Hoffentlich ist der Aufzug inzwischen repariert, da es für mobil eingeschränkte Menschen eine Zumutung ist, sich so viele Stufen hinauf zu kämpfen.

Schreibe einen Kommentar zu Verena Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert