Die Bahn kauft 30 neue ICE Züge von Siemens Mobility. Und die Politik schaut tatenlos zu, wie ab 2022 Barrierezüge im Wert von einer Milliarde Euro auf die Schiene kommen. Mehr noch: Der Bund ignoriert Gesetze, die er sich selbst gegeben hat.
Die neuen Züge – basierend auf dem ICE3 – werden nicht barrierefrei sein. Sie sind nicht niveaugleich zur gängigen Bahnsteighöhe. Das bedeutet, dass Rolli-und Rollatorennutzende den Zug beim Ein- und Ausstieg nicht alleine, also nicht ohne fremde Hilfe, werden nutzen können.
Zug nicht stufenlos
Stattdessen werden sie über einen Lift geschickt. Dabei hat genau dieser Lift in der Vergangenheit so viel Fehleranfälligkeit erzeugt, dass die inoffizielle Bahnansage lautet, ihn erst gar nicht zu nutzen…
Bund ignoriert eigenes Gesetz
Dabei sieht das Bundesgleichstellungsgesetz (BGG) vor, insbesondere bei Neuanschaffungen Barrierefreiheit im Verkehr zu schaffen (Quelle BGG §8).
Rechtsanwalt Tolmein gibt auf Twitter eine Einschätzung zum Kauf der nicht barrierefreien ICEs und findet die Anschaffung „rechtlich bedenklich“.
Einstiegshilfe erfordern, erscheint rechtlich bedenklich. Gerade weil die Bahn klimaverträglich ist und in erheblichem Maße gefördert wird, muss sie auch die eine #BahnFürAlle sein und von allen gleichberechtigt genutzt werden können.
— Oliver_Tolmein (@tolmein) July 28, 2020
Bahn: Versprechen gebrochen
In 2019 verkündet die DB bei der Vorstellung des neuen „ECx“ großspurig: „Zukünftig werden alle Fahrzeugausschreibungen für Neufahrzeuge im Fernverkehr die besonders kundenfreundlichen Einstiege enthalten.“ (Quelle)
Barrierefrei? Eine Mängelliste
- kein ebener Zugang
- nur eine barrierefreie Tür (ist die defekt = kein Zugang)
- nur ein barrierefreies WC (ist das defekt = kein Klo)
- nur zwei (!!) Rolliplätze auf 400 Sitze (sind die belegt = keine Mitnahme)
Übrigens: Die Liste ist nicht vollständig. Habt ihr mehr? Schreibt sie unten in die Kommentare. Wir greifen sie auf! Danke.
Gratulation @DB_Bahn: Der neue ICE, den ihr heute vorstelltet, hat bei 440 Sitzplätzen ganze 2 Rollstuhlplätze & 1 Behindertenklo. Damit schließt ihr Kunden mit Behinderungen wiederholt von dem Recht aus jederzeit mit der #Bahn fahren zu können. @BBMB_bund @BMVI @bahnfueralle pic.twitter.com/dwJ5KDhLgF
— Julia Probst (@EinAugenschmaus) July 15, 2020
Unsere Forderung: Rückabwicklung!
Ernsthaft. Wir wollen barrierefrei reisen und dazu gehört ein stufenloser, ebener Zugang in den Zug. Solche Züge gibt es bereits. Richtig, sie fahren nicht Tempo 350. Aber, liebe Bahn, Hand aufs Herz, auf welchen Strecken ist das in Deutschland schon möglich?
Einer von vielen wissentlich vorgenommener Bruch der Behindertenrechte – skandalös!
Gibt es juristische Möglichkeiten, dagegen vorzugehen? Wenn ja, sollten wir das tun. Was sind die nächsten konkreten Schritte? Wie kann ich mich beteiligen?
Ich bin rollstuhlnutzende Kulturmanagerin und häufig mit der Bahn unterwegs. Könnte viele positive & negative Geschichten rund um die Bahn berichten. Es gibt sehr viele, sehr bemühte Bahmitarbeitende, aber das ersetzt nicht die Notwendigkeit der Bahn für Alle!
Fiese Ignoranz der DB und Siemens gegenüber Rollstuhlfahrern ist nur möglich, da Menschen mit Beeinträchtigungen in der Politik und der Umsetzung in den Verwaltungen nicht vertreten sind. Wir brauchen eine Behindertenpartei.
Einem Protest auch rechtlicher Art würde ich mich anschließen. Ich bin Rollstuhlfahrer und gerne in ICE‘s unterwegs und finde es ziemlich skandalös, dass die Deutsche Bahn hier in Sachen Barrierefreiheit einen Rückschritt macht.
Wir sind halt uninteressant